"Ich sagte meine Meinung gegen Nazis, das hätte mich fast umgebracht."

- Nils Oskamp

Die Scheuklappen gegen Rechts bröckeln nur langsam



Dortmund-Dorstfeld Mitte der 1980er-Jahre: Im ursprünglich vielfältigen und eher linken Stadtteil fallen zum ersten Mal Neonazis auf. Im Bereich des Wohnkomplexes Hannibal, wo zu jener Zeit ein älteres Mitglied der Neonazipartei "FAP" wohnt, werden "Skinheads und schwarz gekleidete Jugendliche" gesichtet. Auch der neue Mitschüler in Nils Oskamps Klasse ist Neonazi.

"Was geben die Väter ihren Söhnen weiter? Den Irrglauben einer menschenverachtenden Ideologie oder Mitgefühl? Im Dortmund der 1980er-Jahre waren es Altnazis, die die erste Generation von Neonazis radikalisierten."

- Nils Oskamp "Drei Steine"-Nachwort


Der Jung-Neonazi propagiert rechte Parolen und verleugnet den Holocaust. Auch andere Schüler der Wilhelm-Busch-Realschule sind radikalisiert. Nils zeigt Courage und wird so zur Zielscheibe rechter Gewalt. Diese gipfelt in zwei Anschlägen auf ihn.

"Ich erstattete Anzeige. Acht Monate später gab es die Gerichtsverhandlung. [...] Die beiden Schläger [...] bekamen siebenundzwanzig Sozialstunden [... und] einen Schulverweis. Der [...] Drahtzieher [...] wurde in die Parallelklasse versetzt. Der Direktor der Schule verlangte von uns [...] einen Nichtangriffspakt."

- Nils Oskamp "Drei Steine"

Damals wollten die Erwachsenen die Bedrohung nicht wahrhaben. Innerhalb von zwei Dekaden wurde Dorstfeld zum - von rechter Seite selbsternannten - "Nazi-Kiez". Immer mehr Neonazis zogen hierher - nicht nur aus anderen Dortmunder Stadtteilen, sondern aus ganz Deutschland. Die rechte Gewalt nahm drastisch zu. Konsequenzen blieben für die Täter nahezu aus. Einige wurden nicht festgenommen, Anzeigen wurden entweder nicht gestellt oder eingestellt. Die Polizei wirkte überfordert.

Doch allmählich bröckelten in Dortmund die Scheuklappen gegen Rechts.

2007 richtet die Stadt eine Koordinierungsstelle gegen Rechtsextremismus ein. 2011 wird "Back Up - Beratung für Opfer rechtsextremer und rassistischer Gewalt" gegründet. Die "SOKO Rechts" wird eingerichtet. In Dorstfeld ist die Polizei auf unterschiedliche Weise präsent - sowohl in Uniform als auch zivil. Die Anzahl der Strafverfahren gegen Neonazis steigt.

Immer mehr BürgerInnen engagieren sich - u.a. bei Gegendemonstrationen, die zu jedem Aufmarsch der Rechten stattfinden.

"Jeder junge Mensch hat seinen eigenen freien Willen und kann selbst entscheiden, in welche Richtung er oder sie im Leben geht."

- Nils Oskamp "Drei Steine"-Nachwort

Die Wilhelm-Busch-Realschule bekommt 2013 den Titel "Schule ohne Rassismus - Schule mit Courage" verliehen. Pate ist kein geringerer als Nordrheinwestfalens Integrationsminister Guntram Schneider. Im selben Jahr besucht auch das Bundesamt für Verfassungsschutz die Schule im Rahmen der Ausstellung "Es betrifft dich! Demokratie schützen - gegen Rechtsextremismus".
Hier geht's zum Interview.

 

Und Nils Oskamp? Der engagiert sich natürlich immer noch gegen Rechts. Er bringt seine Erlebnisse in der autobiografischen Graphic-Novel "Drei Steine" (Panini-Verlag 2016) zu Papier und ist seitdem mit der dazugehörigen Wanderausstellung - inklusive Schullesungen und "Kreativ gegen Rechts"-Workshops - bundesweit unterwegs.

Seine nächste Station ist die Galerie Neurotitan in Berlin - neben dem Anne-Frank-Zentrum in der Rosenthaler Straße. Die Vernissage (inklusive Lesung) ist am 16. Februar um 19.30 Uhr. Letzter Ausstellungstag ist der 9. März. Der Eintritt ist selbstverständlich frei.

Leider wurden die eigentlich schon zugesagten öffentlichen Mittel gut einen Monat vor Beginn der Ausstellung verweigert. Daher hat Nils Oskamp eine GoFundMe-Kampagne gestartet. Von den benötigten 2.500 € fehlen noch knapp 1.000 €.



Text : Miriam Krawehl - Bilder : 1 & 2 Nils Oskamp, 3 ariley.de